So langsam reicht es ihm. Wo er auch hinsieht: in der ganzen Stadt begegnet er ihnen. Diesen fröhlichen Gesichtern. Als wären sie von Freude angetrunken. Ständig dieses erlöste Lächeln. Das macht ihn aggressiv. Vielen kann man nichts nachweisen. Andere wiederum machen keinen Hehl daraus: Sie glauben an IHN.
Dabei ist das alles falsch. Er hat es mit eigenen Augen gesehen. Dieser Mann hing am Kreuz, festgenagelt an Händen und Füßen. Das überlebt keiner, diese Folter. Und ja, ER ist gestorben. Auch davon war er selbst Zeuge. Und jetzt? Warum glauben immer mehr, dass ER lebt? Dass ER derjenige sein soll, den Gott geschickt hat? ER, auf den alle Juden schon seit Jahrhunderten warten!
Blödsinn. Falsch. Fake News. Kürzlich war da ein Spinner, ein Fanatiker, ein Gotteslästerer. Der konnte richtig gut reden. Viele hat er davon überzeugt, dass ER lebt. Aber dann kam er vor den Hohen Rat. Recht so. Der konnte ja auch nicht ewig diese Falschmeldungen verbreiten. Vor die Stadt hat man den getrieben. Gesteinigt hat man den. Auch das hat er selbst mit eigenen Augen gesehen. Und: es hat ihm irgendwie gefallen. Endlich einer weniger von denen.
Diese Steinigung ist wie ein Startschuss. Endlich kann er was tun gegen diese fröhlichen erlösten Gesichter. Er lässt ihre Häuser durchsuchen, er lässt Männer und Frauen abführen und ins Gefängnis werfen. Und zwar so lange, bis sie kapieren, dass ihr Glaube falsch ist. ER ist tot. Wie kann ER da heute noch für sie da sein? Warum beten sie IHN an? Warum glauben immer mehr an IHN? Man spricht inzwischen von Hunderten… Was, wenn es stimmt, was diese Leute glauben? Es kann nicht sein. Schnell verbannt er den Gedanken aus seinem Kopf. Es kann nicht sein. Es darf nicht sein. Er wüsste es.
Die Sonne steht noch tief am frühen Morgen. Er sattelt sein Pferd. In der Satteltasche liegt eine Vollmacht für alle Synagogen in Damaskus. Auch dort wird er sie aufspüren. Jede einzelne Person, die an IHN glaubt. Keiner soll davonkommen.
„Was, wenn es stimmt, was die Leute sagen?“ Saulus dreht sich verärgert zu einem seiner Begleiter um. Er fährt ihn an: „Sei still. Oder glaubst du etwa auch an IHN?“ Der Begleiter senkt seinen Blick und schweigt. Alle schweigen, die Zügel fest in den Händen. „Auf nach Damaskus“, hört er sich sagen. Die Pferde gehorchen den Zeichen der Reiter. Kurz darauf ist nur noch eine Staubwolke am Horizont zu sehen.
(frei nach Apg.8,1-3; Apg.9,1+2)
Was, wenn es stimmt, dass Jesus heute lebt?
- Kannst du den Gedanken zulassen oder hältst du das für eine fromme Spinnerei?
- Welche Auswirkungen hätte/ hat das für dich persönlich?
- Was nervt dich an Christinnen und Christen? Was bewunderst du?
Antje Metzger
© Bild: Antje Metzger